Die dritte Vorserienmaschine VFW 614 G3 (D-BABC) machte am 10. Oktober 1972 am Bremer Flughafen ihren Jungfernflug. Damit begehen wir am 10. Oktober den 30. Jahrestag des Erstfluges der G3. Der Flug dauerte ca. 1,5 Stunden und wurde von der Besatzung Leif Nielsen als Kommandant, Jaap Hofstra (Fokker) als Copilot und Jürgen Hammer als Flugversuchsingenieur durchgeführt.
Mit dem dritten Prototyp der VFW 614 war die Baureihe der Vorserienmaschinen abgeschlossen. Die nachfolgenden Serienflugzeuge wurden im Werk Lemwerder gebaut und an Kunden ausgeliefert oder flogen als Werks-Demonstrator.
Ursprünglich sollte die G3 zusammen mit G1 und G2 in eine 18-monatige Flugerprobungsphase gehen. Auf der G3 sollten hauptsächlich Systemerprobungen durchgeführt werden. Nach dem Verlust der G1 am 01. Februar 1972 musste das Erprobungskonzept umgestellt werden. Auf den beiden verbliebenen Maschinen G2 und G3 lastete nun das gesamte Erprobungsprogramm für die Zulassung zum Verkehrsflugzeug.
Die Unfalluntersuchung der G1 führte zur Modifizierung der Flugsteuerung im Heck. Gleich nach Erstflug begann für die G3 eine sehr intensive Flugerprobung – zusammen mit der G2 – bei Fokker in Amsterdam. Ziel musste es sein, die volle Einsatztauglichkeit des Musters VFW 614 nach der Umrüstung nachzuweisen. Unter der Leitung des Fokker Chef-Testpiloten Jaas Moll wurden beide Maschinen in einer Evaluationsphase intensiv auf ihre Einsatztauglichkeit überprüft. Bis Mitte November ´72 erprobte die erfahrene Fokker-Testpiloten-Crew zusammen mit der Bremer VFW-Mannschaft beide Flugzeuge im Hochgeschwindigkeitsbereich, in Niedergeschwindigkeitsversuchen (150 Überziehversuche), im Trudeln und in Flugschwingungsversuchen zum Flatterverhalten. Am Ende kam von Jaas Moll das „go-ahead“. Das VFW 614-Programm konnte fortgesetzt werden. Die G3 hatte bis zu diesem Zeitpunkt 23:19 Std. geflogen.
In 1973 führte die G3 zunächst eine Demo-Tour durch England durch. Im Rahmen der Triebwerkserprobung in Bristol bei Rolls-Royce wurden in Cranfield Wasserspritzversuche erfolgreich absolviert. Wichtiger Part war dann im Rahmen der Zulassungserprobung ab August die große Leistungserprobung beider Flugzeuge auf der Militärbasis Torrejon bei Madrid, die knapp 3 Monate dauerte. Dabei wurden über 200 Std. geflogen. Parallel zu der Flugzeugerprobung lief die Triebwerkserprobung des M45H durch Rolls-Royce. Die spanische Torrejon-Phase war sehr erfolgreich. Flugeigenschaften, Flugleistungen und Systeme des Flugzeuges zeigten hervorragende Ergebnisse. Somit wurde ein wichtiger Meilenstein für die Musterzulassung in 1974 erreicht.
Bei nachfolgenden Erprobungen wurden mit der G3 unter anderem Zulassungsflüge des Flugführungssystems und des Autopiloten durchgeführt. In Braunschweig bei der DFVLR (heute DLR) wurden im Mai 74 alle Antennen der Avionik und Navigationssysteme im Fluge vermessen. Zulassungsversuche der Systeme und Nachweise zur Erfüllung der Lärmvorschriften rundeten die G3-Versuche ab. Wie die G2 hatte auch die G3 von Anfang an eine moderne Flugmess- und Telemetrieanlage an Bord, die durch einen Flugmessingenieur im Fluge bedient und betreut wurde.
Neben der Erprobung wurde die G3 auch laufend im Rahmen des Vermarktungsprogramms für Demo-Flüge eingesetzt. Besonders zu nennen ist hier der Einsatz in Rumänien, Flüge mit Chefpiloten von Fluggesellschaften und Piloten der Luftfahrtpresse sowie Vorführungen in Paris-Le Bourget, Hannover und Farnborough.
Somit hat die Vorserienmaschine G3 ihren wesentlichen Anteil am Entwicklungs- und Erprobungsprogramm der VFW 614 geleistet. Ihr trauriges Ende im Januar 1981 in Meppen steht dazu in keinem Verhältnis.
Joachim Kruth